Rohrbacher Straße 77a, 69115 Heidelberg

 

         Familie Freund

         Adolf David Freund (1887 – 1940)

         Clara Freund (1884 – 1980)

         Amalie Freund (geb. 1920)

         Heinrich Freund (1925 – 1944)

 

Im dritten Stock des Hauses Rohrbacher Straße 77a wohnte Familie Freund. Zur Familie Freund gehörten auch Michael

Freund, der Vater Adolf Davids, seine zweite Ehefrau Gisela sowie Jeanette Dornberger, die Mutter von Clara Freund. Alle drei sind 1938 bzw. 1939 gestorben und sind auf dem Neuen Jüdischen Friedhof / Bergfriedhof in Heidelberg begraben.

Adolf David Freund wurde am 26.6.1887 in Sniatyn/Galizien (das bis 1918 zu Österreich-Ungarn gehörte) geboren, als Sohn von Michael Freund (1861-1938) und Amalie Freund, geb. Funkenstein (1863-1913). Der Vater gründete 1899 einen Großhandel für Butter und Eier, den der Sohn später mit ihm gemeinsam führte. Auch ein Kolonialwarengeschäft, welches vor allem von Clara Freund geführt wurde, besaß die Familie. Beide Firmen mussten 1937 aufgegeben werden.

Im Ersten Weltkrieg kämpfte Adolf David Freund als Soldat der österreichisch-ungarischen Armee. In der Pogromnacht vom 9. November 1938 wurde er verhaftet und vom 10.11. bis 12.12. 1938 in Dachau inhaftiert.

Seine Frau Clara sowie Tochter Amalie und Sohn Heinrich konnten rechtzeitig in die USA emigrieren. Da er selbst aber in einer Region geboren worden war, die seit 1919 zu Polen gehörte, blieb ihm die Einreise in die USA – obwohl er im Besitz des notwendigen Affidavits (Bürgschaftserklärung) war – verwehrt. Die Quote für polnische Immigranten war sehr klein. Er musste von der Wohnung in der Rohrbacher Straße in ein sogenanntes Judenhaus in der Bunsenstraße 3 umziehen und wurde am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert.

Zusammen mit dem Lehrer Hermann Durlacher schrieb er von dort einen Brief an seine auf der französischen Quote bereits nach New York emigrierte Frau mit der dringenden Bitte um Lebensmittel, warme Kleidung, Geld. Hermann Durlacher bittet im selben Brief seinen bereits in den USA lebenden Bruder dringend um Hilfe bei seiner eigenen Emigration.

Adolf David Freund verstarb am 28.12.1940 im Lager Gurs.

Clara Freund, geb. Dornberger, wurde am 11.11.1884 in Straßburg geboren. Sie heiratete 1917 Adolf David Freund und bekam zwei Kinder, die Tochter Amalie und den Sohn Heinrich. Bis zur erzwungenen Geschäftsaufgabe 1937 arbeitete sie als Kauffrau.

Im Januar 1940 konnte sie mit ihrem 14jährigen Sohn Heinrich in die USA emi­grieren. Durch ihren Geburtsort konnte sie von der französischen Quote profitieren. Bis zu ihrem Tod am 18.1.1980 lebte sie in New York. Ihr Enkel Martin Blatt schrieb über sie:

«Clara Freund, my Oma, was a wonderful woman, strong, deeply caring, generous and never embittered.» (Martin Blatt: Holocaust Remembrance and Heidelberg)

 

 

 

Amalie Freund wurde am 13.1.1920 in Heidelberg geboren, als Tochter von Clara und Adolf David Freund. Ihre Grundschulzeit verbrachte sie in der Landhausschule, und von 1930 bis 1936 war sie Schülerin der Mädchenrealschule in der Plöck (heute Hölderlingymnasium). Nachdem sie an dieser Schule nicht mehr bleiben konnte, besuchte sie bis 1938 Vorbereitungskurse zur Auswanderung in Berlin.

Im August 1938 verließ sie - allein und erst 18 Jahre alt - Nazideutschland und emigrierte über Frankreich in die USA. Dort absolvierte sie eine Ausbildung zur Krankenschwester und ab 1946 ein Universitätsstudium zur Erlangung des Public Health Certificate. Seit ihrer Heirat trägt sie den Namen Molly Blatt. Sie lebte bis 2007 in Brooklyn/New York und jetzt in Brookline/Massachusetts.

Mit ihrem Sohn Martin kam sie – und viele andere ehemalige jüdische Heidelberger - im September 2001 für eine Woche auf Einladung der Stadt nach Heidelberg, nachdem ihr Sohn darauf gedrängt hatte, diese Einladung anzunehmen. Jahre zuvor war sie bei einer Europareise zusammen mit ihrem Mann nur einen Tag in Heidelberg gewesen.

Unter den eingeladenen jüdischen Gästen aus aller Welt traf sie nun Freundinnen aus ihrer Kindheit und Jugend. Sie zeigte ihrem Sohn begeistert die Schönheiten einer Stadt, die zu verlassen sie sich gezwungen gesehen hatte. Sie führte als Zeitzeugin Gespräche mit Schülern und Lehrern und hätte dies gern noch öfter getan. Und sie wagte es schließlich auch, die ehemalige Wohnung ihrer Familie in der Rohrbacher Straße 77a aufzusuchen. Martin Blatt schrieb in seinem Bericht über diesen Besuch in Heidelberg:

«For my mother and for many of the former Jewish citizens the principal feelings of this visit were nostalgia and ambivalence. My mother was not at all isolated in experiencing this trip as a visit, not a return to a hometown. Home for these Jews was the United States or Israel or Brazil and Germany could never be thought of in that way. Yet, here they were in the city of their birth and childhood. This led to a kind of emotional roller coaster.»

 

 

Heinrich Freund wurde am 24.9.1925 in Heidelberg geboren,

als Sohn von Clara und Adolf David Freund. Von 1935 bis 1939 war er einer der Schüler in der sogenannten Judenklasse, die von Hermann Durlacher unterrichtetet wurde, zunächst innerhalb der Pestalozzischule und zuletzt in der Bunsenstraße 3.

Im Januar 1940 kam Heinrich Freund mit seiner Mutter nach New York. Später trat er in die US-Armee ein. Tragischerweise verlor er am 25.12.1944, erst 19jährig, sein Leben, als der Truppentransporter, auf dem er sich befand, im Ärmelkanal von einer Mine getroffen wurde:

«Henry died aboard a troop transport sunk by a mine; his ship was carrying reinforcements to the Battle of Bulge (Ardennenoffensive).» (Martin Blatt: Holocaust Remembrance and Heidelberg)