Rohrbacher Straße 51, 69115 Heidelberg

 

Familie Snopek

Sara Snopek (1867 - 1945)

Ludwig Snopek (1871 - 1953)

Betty Snopek (1899 - 1942?)

Ludwig Snopek wurde am 14.3.1871 in Schwergenz/Posen geboren, Sara Isaak am 14.7.1867 in Nekla/Schroda. Das Paar heiratete am 13.2.1894 und zog im Jahre 1905 mit nunmehr sechs Kindern und dem Dienstmädchen nach Hei­del­berg. Nach anfänglich häufigem Wohnungswechsel zog die Familie 1907 in die Blu­menstraße 32, wo sie eine Obst- und Gemüsehandlung betrieb. Das Adress­buch von 1914 vermerkt unter Blumenstraße 32: „Snopek S., Obst-, Gemüse-, Eier- und Flaschenbierhandlung, Niederlage in Backwaren“. Sara Snopek mel­dete das Gewerbe 1914 ab. Im selben Jahr zog die Familie in die Blumen­straße 24 und 1931 in die Berg­hei­mer Straße 12.

Im Jahr 1935 zogen Ludwig und Sara Snopek, zusammen mit ihrer Tochter Betty und dem Dienstmädchen Marianne Poltorak, als Mieter in die 6-Zimmer-Woh­nung mit Küche und Mädchenzimmer im zweiten Stock der Rohrbacher Straße 51, wo sie bis zur ihrer Flucht bzw. Deportation wohnen blieben. Ab ca. 1938 wurde die Wohnung eine sogenannte „Judenwohnung“. Dies bedeutete, dass die Familie andere jüdische BürgerInnen aus Heidelberg und Umgebung in ihrer Woh­nung aufnehmen musste, aus der dann im Oktober 1940 zusammen mit Betty Snopek auch die Schüler Bernd und Sigmund Kaufmann aus Baiertal und die Krankenpflegerin Luise Wolfers nach Gurs deportiert wurden. Weitere BewohnerInnen der „Judenwohnung“ waren: der Rechtsanwalt Samuel Zucker, der auf dem jüdischen Friedhof am Bergfriedhof begraben liegt, und die Krankenschwestern Emma Bendix und Hilda Wunsch, die in Izbica und Theresienstadt er­mordet wurden. Von allen ehemaligen jüdischen BewohnerInnen dieser Wohnung lebt heute nur noch Bernd Kaufmann in Jerusalem.

Ludwig Snopek war aus dem 1. Weltkrieg verletzt zurückgekehrt und bekam eine Kriegsrente als Schwerbeschädigter. Von 1934 bis 1937 war er im Textilhaus Rothschild in der Hauptstraße 39-43, heute Kraus, beschäftigt. Das Geschäft erlitt ab dem 1.4.1933 massive Boykottverluste und musste 1935 verkauft werden. 

Sara Snopek, die von allen „die Mama“ genannt wurde, bekam sieben Kinder. Tochter Selma, verh. Karlebach (1895 - 1978), gelang 1935 mit ihrer Tochter Diana (geb. 1930) die Flucht nach New York. Tochter Klara (1896 - 1920) war Verkäuferin und liegt auf dem jüdischen Friedhof am Bergfriedhof begraben. Sohn Martin (1897

 - 1918) fiel im 1. Weltkrieg in Frankreich. Sohn Max Snopek (1900 - 1986) war Zahnte

chniker. Er hatte in Heidelberg zwei uneheliche Kinder mit Mar­ga­rete Dörr: Renate (1927 - 2010) und Karl-Heinz Dörr (geb. 1932), der heute noch in Edingen lebt. Max gelang 1934 die Flucht in die USA. Er kämpfte im 2. Weltkrieg für die Amerikaner. Sohn Joseph (1901 - 1966) reiste ebenso nach Amerika aus wie der jüngste Sohn Fred (früher Saly) (1906 - 1993), der in den USA verheiratet war und zwei Töchter, Arlene und Susan, hatte.

Ludwig, der sich in den USA Louis nannte, und Sara Snopek folgten am 23.2.1940 ihren Kindern in die USA. Im Jahr 1943 feierten sie in New York ihre goldene Hochzeit im Kreise ihrer Kinder. Sara starb dort am 7.2.1945. Das Dienst­mädchen Marianne Poltorak, von der Familie Marinka genannt, schrieb über sie:

»Aber es ist ja kein Wunder, daß die arme Mama dies nicht überstehen konnte, nachdem sie alles verloren hatte. Was für ein schönes Heim hatten wir hier in Heidelberg und was für ein Unheil hat dieser Mörder über uns alle gebracht.«1

Ludwig Snopek leitete noch ein Wiedergutmachungsverfahren ein, machte „Scha­den im wirtschaftlichen Fortkommen“ geltend:

»Wenn ich 15 Jahre jünger wäre, hätte ich nach meiner alten Heimat Heidelberg zurückgekehrt und dort Arbeit gefunden bei meiner alten Firma und brauchte keinerlei Unterstützung.«2

Außerdem klagt er gegen den Schaden an Eigentum und Vermögen:

»Im Jahre 1940 (Febr.) war ich zur Auswanderung aus Heidelberg als Jude gezwungen: die gesamte Wohnungseinrichtung in der Rohrbacher Str. 51 wurde beschlagnahmt desgleichen die Bankbücher […] Auf meine Tochter Betty, die mit mir w

Anzeige im "Aufbau", Februar 1944

ohnte, hat­te ich vorgenannte Wohnungseinrichtung und Sparbücher vor meiner Auswanderung übertragen. Sie wurde noch im gleichen Jahr (Sept.) ins Konzentrationslager gebracht. Von da an fehlt jede Spur von meiner Tochter. Zeuge: mein früheres Dienstmädchen Marianne Poltorak.«

Im Oktober 1951 erlitt er einen Schlaganfall und starb am 27.10.1953, bevor das Wiedergutmachungsverfahren abgeschlossen wurde.

Betty Snopek, das einzige in Heidelberg verbliebene Kind von Sara und Ludwig Snopek, wurde am 25.2.1899 in Wreschen/Posen geboren. Sie war eine ledige, berufstätige Frau, die als Friseurin arbeitete. Ab 1924 hatte sie einen Friseurbetrieb „in kleinerem Maßstabe auf eigene Rechnung“ angemeldet. Als sie 1938 Berufsverbot bekam, reichte sie ein Gesuch zur „vorläufigen Weiterarbeit als Hausfriseuse“ bei der Polizeidirektion Heidelberg ein. Darin schrieb sie am 23.12.1938:

»Ich muss auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen ab 1.1.39 meine Tätigkeit als Hausfriseuse einstellen. Da mein Vater schwerer Kriegsbeschädigter ist, und mit Mutter von seiner Kriegs und Angestelltenrente leben muß; also nicht in der Lage ist, mich mit zu unterhalten und da ich selbst ferner in einigen Monaten auswandern werde, richte ich an die Polizeidirektion die höflich Bitte, mir bis zu meiner Ausreise, die Ausübung meines Berufes als Friseuse bei meiner jüdischen Kundschaft zu gestatten.«3

1939 reichte sie ein weiteres Gesuch beim Reichswirtschaftsminister ein, musste ihren Betrieb aber dennoch am 31.12.1938 einstellen. Betty Snopek, die eigentlich mit ihrer baldigen Ausreise rechnete, wurde am 22.10.1940 nach Gurs deportiert. Das Dienstmädchen Marinka Poltorak, das bis zuletzt bei ihr geblieben war, schrieb dazu:

»Den Abschied, den wir beide voneinander genommen haben, werde ich im Leben nicht vergessen. Betty ist der Abschied so schwer von allem gewesen. Wie sie das Haus verlassen hatte, hat die Polizei alles abgeschlossen und mich hat man auf die Straße gestellt. Betty durfte nur 100 Pfund Gepäck, 100 Mark und drei Tage Verpflegung mitnehmen.«

In einem weiteren Brief an Ludwig Snopek schrieb sie:

»Die liebe Betty in den Lastwagen und ich ins Krankenhaus. Die Betty ihr letztes was nur immer gehört wur­de, wie sie so sehr geweint hat, war, verlaßt mir meine arme Marinka nicht.«4

Das Dienstmädchen erhielt noch Postkarten von Betty aus Gurs. 1941 stellte Betty Snopek dort ein Ausreisegesuch für die USA.5 Am 6.8.1942 verließ sie Gurs mit einem Transport „unbekannten Ziels“ und wurde mit dem Transport 17 am 10.8.1942 vom Sammellager Drancy nach Auschwitz gebracht. Am 8.5.1945 wurde sie für tot erklärt. Sie wurde in Auschwitz, höchstwahrscheinlich bereits am Tage ihrer Ankunft, ermordet.

1 Wiedergutmachungsakte von Ludwig Snopek im Generallandesarchiv Karlsruhe, 480 – 13336 Nr. 1.

2 Ebenda.

3 Stadtarchiv Heidelberg, Gewerbeakte Betty Snopek Nr. 10549.

4 Wiedergutmachungsakte von Ludwig Snopek im Generallandesarchiv Karlsruhe, 480 – 13336 Nr. 1.

5 Les archives du camp de Gurs, 72 W 68 und 72 W 304.