Plöck 34, 69117 Heidelberg

Familie Seligmann

Friedrich Seligmann (1881 - 1951)

Flora Seligmann (1887 - 1948)

Ludwig Seligmann (1910 - 1998)

Die Familie von Friedrich Seligmann stammte väterlicherseits aus Rohrbach.2 Dort wurde auch Friedrich am 19. Februar 1881 geboren. 

Friedrich Seligmann mit seinem kleinen Sohn Ludwig 1916 im Märzgarten (Märzgasse Ecke Plöck) während eines Fronturlaubs

Seine Eltern waren Fer­dinand Seligmann (1850 - 1927) und Hermine Falk (1856 - 1935). Die Mutter kam aus Obergrombach bei Bruchsal. Friedrich Seligmann hatte eine ein Jahr jüngere Schwester, Mathilde, geboren am 23. Januar 1882. Seit 1897 lebte die Familie in Heidelberg. Der Vater Ferdinand war im Hypotheken- und Immobili­engeschäft tätig und hatte seine Geschäfts- und Wohnräume seit 1908 im Haus Plöck 36. In diesem Haus eröffnete im sel­ben Jahr (1908) auch Sohn Friedrich, vermutlich frisch gebackener Bäckermeister, seine eigene Bäckerei in Heidelberg.

Friedrich Seligmann war als Soldat im 1. Weltkrieg am heftig umkämpften Hartmanns­weilerkopf im Elsass eingesetzt. 1920 kaufte Friedrich Seligmann das Nach­barhaus Plöck 34 (Baujahr 1896), ein Geschäfts- und Wohnhaus, und zog dort mit seiner Bäckerei und der Familie ein. 1927 bzw. 1935 sind seine Eltern, Ferdinand und Hermine Seligmann, verstorben. Ihr Grab befindet sich auf dem jüdischen Teil des Bergfriedhofs in Heidelberg.

Friedrich Seligmann heiratete am 29. Juli 1909 Flora Hirsch, geboren am 23. April 1887 in Bonfeld bei Bad Rappenau. Ihre Eltern waren Lazarus und Ester Hirsch aus Bonfeld. Flora Hirsch arbeitete in der Bäckerei mit und führte diese während der Jahre, die ihr Mann im Krieg war, selbstständig weiter. Am 24. April 1910 kam der gemeinsame Sohn Ludwig zur Welt. Ludwig Seligmann wuchs in der Heidelberger Altstadt auf, er ging hier zur Schule und spielte im Fußballverein, hier machte er in der väterlichen Bäckerei seine Lehre und verbrachte seine Gesellenzeit. Seinen Meister erwarb er 1935 in Stuttgart.Fiedrich Seligmann war SPD-Mitglied und legte großen Wert darauf, dass seine Angestellten sich dieser Partei ebenso verbunden fühlten. Er hatte mehrere Angestellte in seiner Bäckerei beschäftigt.

Anzeige im Frankfurter Israelitischen Familienblatt vom August 1938

Darunter waren Mitte der 1930er Jahre auch die jüdischen Lehrlinge Ludwig Hirsch (ein Sohn von Flora Seligmanns Bruder Ferdinand Hirsch) und Willi Herbst. Willi Herbst wurde 1938 in Dachau inhaftiert, danach war er in verschiedenen Teilen Deutschlands als Zwangsarbeiter eingesetzt. 1940 konnte er in die USA fliehen. Ludwig Hirsch, geb. 1919 in Bonfeld, wurde 1944 in Riga ermordet. In den „Jungfernhof, Außenlager Ghetto Riga“ waren am 1. Dezember 1941 auch seine Eltern Ferdinand und Elise Hirsch und seine jüngeren Geschwister Margot und Alfred deportiert worden, die alle in der Shoah umkamen.

Seit April 1933 stand die Bäckerei Seligmann, neben 112 weiteren Heidelberger Geschäf­ten und Betrieben mit jüdischen InhaberInnen, auf einer von der NSDAP angefertigten Liste der zu boykottierenden Geschäfte. Da NichtarierInnen für städtische Lieferungen nicht mehr zugelassen waren ‑ die Bäckerei Seligmann belieferte den städtischen Kinderhort ‑, hatte Friedrich Seligmann nicht nur durch diese Maßnahme empfindliche Geschäftseinbußen hinzunehmen. Wie so viele jüdische Männer, die im 1. Weltkrieg für Deutschland gekämpft hatten, wiegte sich auch Friedrich Seligmann lange in Sicherheit, bis er schließlich die Augen vor dem immer größer werdenden Druck, den zunehmenden Repressalien und der Entrechtung nicht mehr länger verschließen konnte. Zum Glück konnte sich Friedrich Seligmann noch rechtzeitig dazu durchringen, sein Geschäft aufzugeben und zu fliehen. Am 12. April 1938 verkaufte er notgedrungen seine Bäckerei, zu der auch ein Kaffee gehörte, samt Wohn- und Mietshaus. So ist er der Pogromnacht vom 9. zum 10. November 1938 entkommen, in der er die Verwüstung seines Geschäfts hätte mitansehen müssen; auch die am nächsten Tag erfolgte Inhaftierung nach Dachau, die alle jüdischen Männer zwischen 18 und 59 Jahren betraf ‑ aus Heidelberg wurden 75 Männer deportiert ‑, ist ihm erspart geblieben.

Ludwig Seligmann war bereits 1935 nach Uruguay geflohen. Er hatte eine Liebes­beziehung mit einer „arischen” Frau. Aus diesem Grunde sollte er, nach einer entsprechenden Anzeige gegen ihn, von der Gestapo verhört werden. Er wurde aber von einem SA-Mann, einem Fußballkameraden aus der Zeit vor dem Ausschluss jüdischer SportlerInnen aus den Sportvereinen, gewarnt: „Lutz, pack ein paar Sachen und verschwinde, die planen, dich morgen ganz früh zu holen.” Nach Uruguay folgten nun auch die Eltern im August 1938. Mit den aus Deutschland mitgebrachten Bäckereimaschinen versuchten die Eheleute, sich in Montevideo eine neue Existenz aufzubauen. Was ihnen nicht gelang. Flora Seligmann ist am 20. März 1948 in Uruguay gestorben.

Friedrich Seligmann ist mit seinem Sohn Ludwig am 15. April 1951 nach Deutschland zurückgekehrt. Sieben Wochen später, am 6. Juni 1951, starb Friedrich Seligmann in Heidelberg. Seine Grabstelle befindet sich auf dem jüdischen Friedhof am Bergfriedhof.

Die Familie Seligmann hatte neben dem Verlust ihrer Existenz und ihrer Heimat, neben der Angst und der Ungewissheit um Verwandte und Freunde, auch den Schmerz über den Verlust zahlreicher naher Familienangehöriger zu ertragen. Die gesamte Familie von Flora Seligmann in Bonfeld ist in der NS-Zeit ausgelöscht worden. Friedrich Seligmanns Schwester Mathilde, die seit 1912 mit Eugen Mayer aus Neustadt/Weinstraße verheiratet war und im Januar 1939 mit ihm von Landau nach Heidelberg zog, ist mit ihrem Mann am 22. Oktober 1940 von Heidelberg nach Gurs deportiert worden. Eugen Mayer starb im Dezember 1940 im Hospital des Internierungslagers. Das Schicksal von Mathilde Mayer, geb. Seligmann, ist unbekannt, sie wurde 1945 für tot erklärt. Des Weiteren sind mehrere seiner Heidelberger Cousins und Cousinen in Auschwitz getötet worden.

Ludwig Seligmann hat in Uruguay eine Familie gegründet. Er heiratete Pauline Boksar, die 1919 in Uruguay geboren wurde. Die Tochter Flora wurde 1950 dort geboren. Wenig später folgte die Ehefrau mit der kleinen Tochter dem Ehemann und Schwiegervater nach Deutschland. Ein Sohn wurde 1952 in Mannheim geboren, er starb noch am Tag seiner Geburt. Eine weitere Tochter, Esther, kam 1953 in Heidelberg zur Welt. Die Ehefrau starb bereits 1957 in Mannheim, wo die Familie eine kleine Gaststätte betrieb. Ludwig Seligmann ist am 24. Mai 1998 in Heidelberg verstorben. Seine Grabstelle befindet sich auf dem jüdischen Friedhof am Bergfriedhof.

1 Die meisten Angaben entstammen: Norbert Giovannini, Claudia Rink, Frank Moraw: Erinnern, Bewahren, Gedenken. Die jüdischen Einwohner Heidelbergs und ihre Angehörigen 1933-1945. Heidelberg 2011.

2 Die meisten Angaben entstammen: Norbert Giovannini, Claudia Rink, Frank Moraw: Erinnern, Bewahren, Gedenken. Die jüdischen Einwohner Heidelbergs und ihre Angehörigen 1933-1945. Heidelberg 2011. Weitere Angaben zur Familie sind aus Gesprächen mit der Tochter Flora Asseyer, geb. Seligmann, hervorgegangen.