Karlsruher Straße 46, 69126 Heidelberg

 

         Käthe und Alfred Seitz

         Käthe Seitz (1894 – 1942)

         Alfred Seitz (1903 – 1942)

 

 

Käthe Seitz, geb. Brunnemer, geboren am 12. Februar 1894, war Mitglied der SPD und politisch aktiv. Sie war in zweiter Ehe verheiratet mit Alfred Seitz, geboren am 10. Februar 1903. Sie wohnten in Rohrbach in der Karlsruher Straße 46, in der Nähe des Arbeitsplatzes von Alfred Seitz, der in der Thoraxklinik Rohrbach als Krankenpfleger arbeitete.

Käthe Seitz, geboren in Ludwigshafen, kam aus einer politischen Familie. Ihr Vater, Philipp Brunnemer, war der SPD schon 1890 beigetreten.

 

Nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten 1933 wurden alle Parteien neben der NSDAP verboten. Es begann die Verhaftung zahlreicher Politiker, politisch anders denkende Menschen wurden bespitzelt und verfolgt. Vor allem Mitglieder der KPD und SPD wurden in „Schutzhaft“ genommen. Trotz dieser Gefahr begannen sich Widerstandsgruppen zu bilden. In Mannheim war der Schriftsetzer Georg Lechleiter, KPD-Funktionär, bis 1933 Landtagsabgeordneter und 1935 aus dem KZ Dachau entlassen, ein führender Kopf des Widerstands. Schwerpunkt waren Betriebe wie Lanz, BBC, Daimler-Benz und andere Firmen. Albert Fritz, ein Wegbegleiter von Georg Lechleiter, hatte die Aufgabe, in seinem Heimatort Heidelberg Verbindungen zu Gesinnungsgenossen zu knüpfen und auch den Kontakt zur SPD zu suchen.

Käthe Seitz war 1918 in die SPD eingetreten und in den 20er Jahren in der Stadt Cleve (heute Kleve) Stadtverordnete der SPD gewesen. Sie und ihr Mann Alfred, der nicht Mitglied der SPD war, fanden in Heidelberg Kontakt zur „Lechleiter-Gruppe“ und beschlossen, an der Herausgabe einer Zeitung mitzuarbeiten. Wie aus einem Bericht von Emma Faulhaber, Ehe­frau eines KPD-Mitglieds, hervorgeht, fand das entscheidende Gespräch am 22. Juni 1941 in Heidelberg in der Karlsruher Straße 46 statt zwischen Georg Lechleiter, Jakob Faulhaber, Gustav Süß und Käthe und Alfred Seitz. Der Name der Zeitung: DER VORBOTE – Informations- und Kampforgan gegen den Hitlerfaschismus. Herausgeber: KP.

Nach sehr langwierigen Vorbereitungen, denn diese mussten streng geheim erfolgen, und die Beschaffung von Matrizen, Farbe, Abzugsapparat usw. war äußerst schwierig, erschien die Zeitung im September 1941 das erste Mal in einer Auflage von 60-70 Exemplaren, die sich mit zunehmender Verbreitung auf ca. 200 Exemplare erhöhte.

An der Herstellung der Zeitung waren u.a. beteiligt: Käthe Seitz erstellte die Matrizen in Heidelberg, den Transport der Manuskripte von Georg Lechleiter nach Heidelberg und den Rücktransport der fertigen Matrizen nach Mannheim erledigte Johann Kupka. Der damals 74jährige Vater von Käthe Seitz, Philipp Brunne­mer, installierte in seinem Keller in Mannheim einen Abzugsapparat. Jakob Faulhaber kümmerte sich u.a. um den Vertrieb, Georg Lechleiter war für den Gesamttext verantwortlich.

Vier Ausgaben der Zeitung erschienen im Herbst und Winter 1941. Die fünfte war für Ende Februar 1942 geplant, aber dazu kam es nicht mehr. Die Gestapo verhaftete am 26. Februar führende Köpfe der Organisation, einige Tage später wurden u.a. auch Käthe und Alfred Seitz verhaftet.

Am 14. Mai 1942 begann die Hauptverhandlung in der Strafsache Georg Lechleiter und andere wegen Vorbereitung zum Hochverrat vor dem 2. Senat des Volks­gerichtshofes im Mannheimer Gerichtsgebäude. Die Verhandlung führte der Vize­präsident des Volksgerichtshofes Karl Engert. Auf der Anklagebank saßen 14 Beschuldigte, einige waren in der Haft gefoltert und misshandelt worden. Der Prozess dauerte nur zwei Tage. Der Staatsanwalt forderte für 12 Angeklagte die Todesstrafe, für zwei langjährige Haftstrafen. In der Anklageschrift vom 21.4.1942, die den Beschuldigten vor der Verhandlung nicht zur Kenntnis gegeben wurde, heißt es u.a.:

«Die Angeschuldigten haben, vor allem im Jahr 1941 seit dem Ausbruch des Krieges gegen Sowjetrußland, am dem Aufbau einer kommunistischen Organisation in Mannheim mitgewirkt. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit lag in der Herstellung und Verbreitung einer illegalen Druckschrift, des „Vorboten“. Außerdem wurde mit dem Aufbau kommunistischer Zellen in Mannheimer Betrieben begonnen.»1)

Während der Verhandlung versuchte Käthe Seitz ihren Mann zu entlasten und erklärte, ihr Mann habe von ihren politischen Aktivitäten nichts gewusst. Alfred Seitz dagegen stand zu seiner Frau und erklärte „mit fester Stimme, er habe sein ganzes Leben mit seiner Ehefrau geteilt und wolle nun auch mit ihr in den Tod gehen.“2)

 

Das Gericht ging über den An­trag der Staatsanwaltschaft hin­aus und verkündete für alle 14 Angeklagten: Tod durch das Fallbeil.

Nach dem Richterspruch wurden die 14 Widerstandskämpfer in das Stuttgarter Gerichtsgefängnis gebracht. Aus dem Gefängnis schrieb Käthe Seitz am 6.9.1942, acht Tage vor ihrer Hinrichtung, an ihre Tochter aus erster Ehe, Hilde Janssen:

«Geliebtes Kind, Deinen lieben Brief habe ich erhalten. Inzwischen bist Du vielleicht schon in Hagenau (Anm.: Zuchthaus Hagenau im Elsass). Du glaubst nicht, welch wahnsinnigen Schmerz es mir bereitet, Dich, mein liebes, lebenstüchtiges und gutes Kind, dort zu wissen. Es muß mir für mich wie für Dich das Eine Trost sein, Du bist es nicht allein. Dein Schicksal teilst Du mit vielen, vielen. Es ist heute an der Tagesordnung und wenn sie alle erwischt würden, die auch die Meinung bzw. Lügen der anderen mal interessiert ...»

Am Schluss des Briefes heißt es:

«Liebes, sei stark, wenn trotz menschlicher Werte es zum äußersten kommt, glaube mir, mein Lieb, mein Alles, Du, alles, auch das Leid, ist vergänglich. Und wenn wir uns doch noch wiedersehen, Herzlieb, so wird unser Glück unaussprechlich sein. Mein Lieb! Auf Wiedersehen. Innigst mein Lieb, Deine Mutti.»3)

Ihre Tochter Hilde Janssen wurde ebenfalls von der Gestapo verfolgt und zu Zuchthaus verurteilt wegen „Abhörens feindlicher Sender“. Sie saß zum Zeitpunkt der Hinrichtung ihrer Mutter wahrscheinlich noch im Gefängnis in Mannheim. Sie verbüßte ihre Strafe im Zuchthaus Hagenau, konnte nach ihrer Freilassung aus dem Zuchthaus einer abermaligen Verhaftung entgehen, versteckte sich und überlebte den Krieg.


Am frühen Morgen des 15. Septembers 1942 wurden Käthe Seitz, ihr Mann Al­fred und ihr Vater Philipp Brunnemer in Stuttgart hingerichtet.

 

 

  

1) Max Oppenheimer: Der Fall Vorbote, S. 88.

2) Max Oppenheimer: Der Fall Vorbote, S. 102.

3) Max Oppenheimer: Der Fall Vorbote, S. 151-153.